In ihrem letzten Prosawerk geht die Schriftstellerin Marica Bodrožić den Schmugglerpfad vom französischen Grenzort Banyuls-sur-Mer ins nordspanische Portbou, den einst Walter Benjamin auf der Flucht vor dem Nationalsozialismus beging. Auf ihrer Wanderung über die Pyrenäen entsteht ein Dialog mit Walter Benjamin und seinem Werk, der sich allmählich zu einer dichten, körperlich und geistig erlebten Erinnerungsarbeit konstituiert. Denn die ganz im Sinne einer „géographie littéraire“ (M. Collot) aufmerksam beobachtete Landschaft wird nicht nur physisch erfahren, sondern die Wanderin beschwört auch zahlreiche Figuren, Stimmen und Schriften aus der Vergangenheit. Ein solches „Grenzland zwischen Himmel und Erde, Grenzland zwischen Geist und Sprache“ gibt somit den Anlass zu Reflexionen über Flucht und Flüchtlinge gestern und heute, sowie zu mehrfachen Verbindungen zwischen Schriftsteller.innen und Intellektuellen, die verfolgt, zum Exil gezwungen oder deportiert wurden: „Ich gehe diesen Weg, und er denkt mit, geht mir voraus.“ Dass in Verbindung mit der Vorstellung einer Grenze so viele Begriffe wie Schwelle, Anfang, Gefahr, Tod und Geburt, innere und äußere Landschaft, Weltwachheit und Weltfremdheit, Wunder und Wunde assoziiert werden, erlaubt der Schriftstellerin, vielfältige Zusammenhänge über zeitliche und räumliche Grenzen hinaus zu erstellen, und nicht zuletzt ein vielschichtiges und kritisches Nachdenken über Europa zu entfachen, was in diesem Vortrag aufgezeigt werden soll.