„Die Wandlungen des Ichs sind das Problem des Lyrikers“, erklärte 1932 der damals 25jährige Günter Eich in seinen „Bemerkungen über Lyrik“. Diese „reine Ichproblematik des Gedichts“ war in seinen frühen Gedichten durch einen starken Wunsch nach Raum-, Zeit- sowie Ich-Entgrenzung gekennzeichnet. Das Ich träumte sich anderswo, anderswann, ja manchmal sogar als „anderswer“, z.B. als es die Rolle eines „Du“ übernahm, das nichts anderes war als eine der vielen Erscheinungsformen der lyrischen Selbstfindung bzw. -erfindung: „Kannst du dich erinnern? / Einmal warst du / nur ein Boot in einem grünen Flusse, / einmal hattest du die Füße eines Baumes / und du warst im Hafen der Erde verankert.“ („Verse an vielen Abenden“, 1930) Dreißig Jahre später hat die poetische Autofiktion neue Züge angenommen. Günter Eich versieht seine späten Texte, die ein heterogenes, halb lyrisches, halb autobiographisches Ich inszenieren, mit (bisweilen falschen) biographischen Indizien. Somit lädt er seinen Leser zu einer regelrechten Spurensuche ein und führt ihn spöttisch in die Irre: „Aus Briefen kannst du mich nicht lesen / und in Gedichten verstecke ich mich. / […] Mich triffst du nicht mehr, / solang ich auch rufe.“ („Huhu“, 1964) Zwischen Enthüllung und Verweigerung zeichnet sich das Bild eines unauffindbaren Ich, das überall auftaucht und sich dennoch nirgendwo fassen lässt. Die Wandlungen des Personalpronomens „Ich“ an der Textoberfläche dienen vielleicht nur der Selbstinszenierung eines Abwesenden, das sich im radikalen „Anderswo“ der Sprache bewegt. Es geht also darum, das (Sich-)Einschreiben des Subjekts in die Gedichte zu analysieren. Die scheinbar nur spielerischen Selbstentwürfe verbergen eine tiefere poetologische Reflexion über das „Schreiben des Ich“ – sowohl im Sinne eines subjektiven wie auch eines objektiven Genitivs. Durch Verwendung von unveröffentlichten Handschriften soll die Entstehung eines fiktiven Dichters, halb Schrift-Steller, halb Maulwurf, dokumentiert werden. In diesem Zusammenhang soll die textnahe Lektüre einiger repräsentativer Texte und deren Vorfassungen das zugleich kreative und subversive Potential der Identitätsspiele untersuchen.